Wir waren sowieso in der Nähe, meine Familie und ich.
Es häuften sich verschiedene Nachrichten über das unmenschliche Handeln
der ungarischen Beamten gegen die Geflüchteten.
Ich sah Bilder von Kindern so alt wie mein Sohn, zu Fuß unterwegs 180 km,
an der Autobahn entlang.
Dann bin ich losgefahren, alleine mit meinem winzigen Auto, ein paar Decken,
30 Liter Wasser im Kofferraum und der Absicht zu helfen.
Nur wie, war mir nicht klar. Ich rufe meine Freundin an, frage sie nach den
rechtlichen Folgen für mich, wenn ich eine Familie über die Grenze bringe.
Sie recherchiert und sagt, lass lieber bleiben.
Zweifel nagt an mir, was mache ich hier? Mein Herz klopft, ich verstehe die Menschen ja gar nicht,
wie soll ich erklären, das ich sie mitnehmen möchte.
Bringt das irgendwas, na für die Familie die ich fahre bestimmt, oder auch nicht.
Ich telefoniere noch einmal um die rechtliche Situation der Geflüchteten zu klären.
Während ich auf den Rückruf warte, kommen viele Gedanken vorbei. Wie erkläre ich es meinem Sohn?
Wird er dann ohne mich eingeschult… Kopfkino.
Als ich in Nickelsdorf ankomme, sehe ich als erstes Polizei, viel Polizei.
Ich hab schon ein bisschen Angst, was soll ich sagen, wenn sie mich aufhalten.
Aber sie halten mich nicht auf.
Ich steige aus, treffe einen jungen Mann, frage ihn was er hier macht.
Er ist Arzt, er hat frei, kommt aus Wien und möchte hier helfen.
Als Arzt wird er glücklicherweise nicht gebraucht, er verteilt Dinge des täglichen Gebrauchs,
aber gerade macht er Pause.
Von ihm erfahre ich das die Menschen bis nach Deutschland weiterreisen dürfen
und mit Bussen zum Zug gebracht werden und es deshalb nicht nötig ist jemand im PKW mitzunehmen.
Er klärt mich auch auf, das die Gesetze in Ungarn verschärft wurden
und ich mit bis zu 3 Jahren Gefängnis rechnen kann, wenn ich jemand über die Grenze bringe.
Aha. Dann lasse ich das lieber. Er zeigt mir wo ich hin muss, wenn ich hier helfen möchte.
Gute Idee, also los.
Die beiden Frauen wohnen hier im Dorf, sind beide Mütter und erzählen mir von ihrem Einsatz letzte Nacht.
Sie haben gefühlte tausend Brote geschmiert und verteilt, ihren persönlichen Damenhygiene Vorrat verschenkt,
Plastikbecher vom Kindergarten geholt und immer wieder Hilfsgüter sortiert und verteilt.
Die Stimmung im Dorf ist gut, sagen sie, wir helfen zusammen und sind uns dabei menschlich sehr nahe.
Sie lachen, ein Bus mit Menschen fährt vorbei, die beiden Frauen winken ihnen zu.
Die sind alle zu Fuß über die Grenze gekommen und jetzt werden sie erstmal versorgt,
dann dürfen sie mit dem Zug weiter fahren, erklären sie mir.
Was ist mit den Bewohnern des Dorfes, die nicht so begeistert sind von den Flüchtlingen, möchte ich wissen.
Die sieht man nicht, erklärt mir die jüngere der beiden lächelnd.
Die ältere von beiden nimmt mich in ihrem Auto mit zum Bahnhof, stellt mich dem Dolmetscher vor.
Mit ihm laufe ich mit. Eine Frau schreit. Ich möchte wissen warum?
Ihre Tochter 15 Jahre alt ist weg. Keiner weiss wo sie ist. Die Mutter wird ärztlich betreut, sagt er.
Da muss ich weinen.
Ich frage ihn was seiner Meinung nach wichtig ist, wenn man helfen möchte.
Er sagt: „Informationen in verschiedenen Sprachen für die Ankommenden
und Menschen die ihnen erklären können was hier passiert.
Die Menschen die aus Ungarn kommen, haben oft keine guten,
manchmal sogar traumatische Erfahrungen mit der Polizei gemacht.
Ich erkläre als erstes, das sie hier keine Angst haben brauchen.
Und keine falschen Hoffnungen, dass ist das schlimmste, falsche Hoffnungen.“
Meine nächste Begegnung habe ich mit einem Syrer, der schon seit einem Jahr hier ist.
Er spricht sehr gut deutsch und bringt mich zu einer jungen Helferin aus Wien.
Sie wundert sich das die Frauen keine Binden und Ob`s mitnehmen.
Ich kläre sie darüber auf, das es besser funktioniert, wenn diese Artikel
in blickdichten Taschen von Frauen überreicht werden.
Sie freut sich und ich erzähle ihr, das ich gerne über meine Eindrücke hier schreiben möchte
und eine Auflistung der Dinge die dringend gebraucht werden veröffentlichen möchte.
Das findet sie sehr gut.
Gebraucht werden:
– Rucksäcke
– Plastikbecher
– Wasser ohne Kohlensäure
– Tragetücher für Kinder
– Müllsäcke
– Instant Kaffee
– Isomatten
– Damenbinden
– Shampoo und Duschgel in Reisegröße
Bitte beachten, das sind die Dinge die an den Orten gebraucht werden,
an denen die geflüchteten Menschen nur kurz bleiben.
Bitte immer die aktuellen Bedarfslisten der Hilfsorganisationen beachten.
Auf dem Weg zurück zu meiner Familie bin sehr berührt.
Es ist schön zu sehen, das sich um die Geflüchteten gekümmert wird und gleichzeitig wird mir klar,
dass die eigentliche Aufgabe größer ist, als ein Erstversorgen.
Eine ernst gemeinte Willkommenskultur kümmert sich um Integration.
Jeder von uns, der wirklich helfen möchte, direkt und im kleinen,
kann einem geflüchtetem Menschen unsere Werte erklären, unser System erklären,
damit dieser Mensch sich in unserer Gesellschaft sicher bewegen kann, ankommen kann.
Das ist glaube ich wichtig.
In vielen Städten wurde schon „ja“ zu Save me gesagt, auch in München, kann man sich hier um eine Patenschaft bemühen.
Ich habe absichtlich keine Menschen fotografiert, weil ich der Meinung bin, das es nicht nötig ist verzweifelte Gesichter zu zeigen um menschliches Mitgefühl zu wecken.