Heute erzähle ich von einem Menschen, der mein Leben seit 13 Jahren begleitet.
Sie ist Freundin, Seelen-Spiegel, gefühlte große Schwester, Mutmacherin und Mutter der Geschwister meines Sohnes.
Ich bin bei ihr zu Besuch, weil ich ein Bild in Auftrag geben möchte.In dem Stall in dem ich reite hatte eine Pferdebesitzerin einen Unfall und konnte sich nicht mehr um ihr Pferd kümmern.
Ich habe das dann zusammen mit meinem damals 5-jährigen Sohn übernommen.
Eineinhalb Jahre lang haben wir das Tier täglich versorgt.
Jetzt ist unser geliebtes Pferd seit fast zwei Jahren tot und das Foto an der Wand stimmt uns zunehmend traurig.
Also habe ich beschlossen sie malen zu lassen, in der Hoffnung so die gemeinsame Zeit mit diesem besonderen Tier besser als Erinnerung akzeptieren zu können.
Das Pferd war blind und das Vertrauen, welches es mir und meinem Sohn entgegen gebracht hat, war erstaunlich und sehr berührend.
Ich war bei ihr bis sie starb.
Und was bleibt ist, das sie uns fehlt.
Ich sitze in Melanie`s Küche und schaue mich um.
Alles ist bunt, verspielt und geheimnisvoll, alles ist wie immer, nur betrachte ich es anders, weil ich das erste Mal der Künstlerin in ihr begegne. Ich zeige ihr das Foto und sie sagt ja, kann ich machen.
Dann erzählt sie mir von einem ähnlichen Auftrag.
Die Tochter eines Freundes hat einen Hund ohne den sie sich nicht vorstellen kann zu sein.
Ihr Vater hat eine schamanische Rahmentrommel für sie gebaut und von Melanie bemalen lassen.
Ich sehe mir die Fotos von der Trommel an und stelle mir vor, was es für das Kind bedeutet eine spirituelle Verbindung zu dem geliebten Begleiter über seinen Tod hinaus behalten zu können und verstehe. Das möchte ich auch haben, Melanie hat nicht nur das Bild perfekt gemalt, sondern auch das Individuelle eingefangen und dargestellt, die Bedeutung der Beziehung zwischen Mensch und Tier.
Ich betrachte Ihr Gesicht, ihre Augen während sie über ihre Arbeit spricht
und hab sie sehr gern in diesem Moment.
Fragen drängen sich auf. Weil sie mir jetzt erst kommen sind sie mir fast peinlich.
Woher kannst du so gut zeichnen? Was ist dir wichtig? Wie schaffst du es Mutter zu sein und gleichzeitig deine Kunst zu machen und warum haben wir noch nie was zusammen gemacht.
Dann unterbrechen uns die Kinder, mein Sohn und Ihre Tochter. Die Beiden sind fast gleich alt.
„Wir haben Durst!“
Manche Fragen beantwortet das Leben…
Der Durst ist gestillt, die Kinder wieder weg und wir sind ganz leise geworden.
Ob ich sie in ihrer Werkstatt fotografieren darf, möchte ich wissen.
Klar, sagt sie und führt mich an ihren zweiten Arbeitsplatz.
Hier steht ein riesiger Schweißbrenner mit dem sie aus alten Ölfässern wunderschöne Feuertonnen herstellt.
Sie bearbeitet mit einem Schwamm eine kleine Feuertonne und ich freue mich über den Konstrast der sich hier auftut, diese zarte Frau und der Brenner, mit dem sie die Feuertonnen bearbeitet.
„Meine Mutter hat uns immer unterstützt, etwas kreatives zu machen,
sie war auch selber sehr begabt, aber hat nicht genug an sich geglaubt, sonst wäre sie bestimmt sehr erfolgreich gewesen…
Ich hab dann Abitur mit Leistungskurs Kunst gemacht und danach eine Schreinerlehre.
Dann wollte ich weg und war für 9 Monate in Südamerika und als ich wiederkam bekam ich meine Große.“
Sie ist jetzt 22 Jahre alt und die älteste Schwester meines Sohnes.
Im Moment bewirbt sie sich für den Studiengang Maskenbildnerin.
Die Kreise schließen sich und etwas wichtiges wurde weitergegeben, denke ich.
„Um unseren Lebensunterhalt zu bestreiten, gebe ich Werkunterricht und arbeite bei MiShu, natürlich wäre es schön nur von der Kunst leben zu können, das ist das Ziel.“
Ich frage mich ob das nicht der größte Erfolg einer Mutter, bzw Großmutter ist, ein Talent zu fördern und erfolgreich so etwas wertvolles wie Kreativität weitergegeben zu haben?
Die ehrliche Antwort ist leider Nein und sie brennt mir schmerzhaft in meiner Brust, weil ich auch Mutter bin.
Die Wahrheit ist, wir müssen vorleben, wie man davon leben kann, Kunst zu machen.
Weil die Kinder machen uns sowieso alles nach.
Während der letzten Tasse Tee bemühe ich mich erfolglos die Kinder zu trennen, ich möchte nach Hause, es war ein langer Tag.
Glücklicherweise wohnt in Melanies Badezimmerschrank eine Zahnbürste namens Ben.
So kann ich mich von allen dreien verabschieden, die Kinder versprechen mir um spätestens 21:00 Uhr im Bett zu liegen, Melanie verspricht mir, dass es ihr nicht zu viel ist.
Ich lasse mich drei Mal umarmen und küssen und bin mir bewusst, dass ich reich bin.
Reich an Menschen die mir helfen eine gute Mutter zu sein.
Reich an Frauenloyalität.
Reich an Möglichkeiten.
Danke Melanie!